10. Mai (130)↗

Was ich wertschätze, das will ich sehen. Ich will, dass es wirklich ist, einfach deshalb, weil ich ihm Wert beimesse. Was ich sehen will, bestimmt nun mein Denken. Meine Wahrnehmung, das, was ich tatsächlich sehe, spiegelt wiederum mein Denken wider. Ich sehe also nur das, was ich wertschätze. Der Kurs nennt dies "Projektion", und aus Projektion erfolgt Wahrnehmung.

Da ich nicht zugleich lieben und hassen kann, ist es nicht möglich, gleichzeitig zwei Welten zu projizieren. Ich sehe entweder die Welt, die aus der Angst geboren ist, oder die Welt der Liebe, denn dies sind die einzigen Gefühle, die ich habe: "Du hast nur zwei Gefühle, eines hast du gemacht, und eines wurde dir gegeben. Jedes ist eine Art zu sehen, und unterschiedliche Welten entstehen aus ihrer unterschiedlichen Sicht" (T-13.V.10).

Die Angst zeigt mir jedoch nur Dunkelheit, in der ich gar nicht sehen kann. Was ich also jetzt "sehe", die Welt der Trennung und der Unterschiede, der Anfänge und der Enden und des Todes, kann gar nicht wirklich sein, denn die Angst verschleiert die Wirklichkeit und ersetzt die Wahrnehmung durch Einbildungen. Die Angst ist das Gegenteil der Liebe, aber bereits in der Einleitung des Kurses heißt es: "Das Gegenteil von Liebe ist Angst, doch was allumfassend ist, kann kein Gegenteil haben." Die Liebe ist allumfassend, daher kann Angst nicht wirklich sein.

Ich will heute nicht weiter dort suchen, wo es nichts zu finden gibt. Kompromisse sind nicht möglich, ich kann mich nur für die Wirklichkeit oder die Unwirklichkeit entscheiden. Will ich die Welt, die aus der Angst geboren ist, wirklich haben? Das ist wohl kaum möglich. Darum gebe ich heute sechsmal fünf Minuten, um die Wahl zu treffen, die Welt der Liebe zu sehen. Ich schließe die Augen und lasse mir die Lichter zeigen, die nicht von dieser Welt sind.

Bei jeder Versuchung, dieser Welt Wert beizumessen, bei jedem Gefühl der Angst oder einer ihrer vielfältigen Formen, will ich mich tagsüber erinnern und meine Wahl bestätigen, indem ich mir sage, dass dies nicht Teil dessen ist, was ich wirklich will.