Ich springe aus den Schubladen und greife nach einem Stück Himmel
Nimm einem Kind die Schere weg, mit der es gerade es gerade spielt, damit es sich nicht verletzt, und es wird schreien vor Wut. Zeige jemandem seine Schublade, damit er daraus springen kann, und er wird sie mit Händen und Füßen verteidigen. In dieser Beziehung sind wir alle Kinder. Sage jemandem, dass die Schublade, die er bei anderen sieht, seine eigene ist, für die er nur die Verantwortung nicht übernehmen will und sie deshalb auf andere projiziert, und das wütende Kind tritt deutlich zutage.
Mit meinen Schubladen kann ich mich nur auseinandersetzen, wenn ich sie kennenlerne. Und wenn ich sie dann kenne? Es ist erstaunlich festzustellen, wie schwierig es ist, eigene Schubladen erst einmal als solche zu akzeptieren. Die Art und Anzahl der Verdrängungsmechanismen sind so vielfältig wie subtil, mitunter auch offensichtlich, aber immer nur unter teilweise erheblichen Widerständen »anschaubar«.
Solange ich meine Schubladen mit Gefühlen der Angst, Schuld, des Ärgers oder der Verzweiflung betrachte, lasse ich nicht los.
Solange ich von Loslassen rede und die Finger dabei verkrampfe, ändert sich nichts.
Solange ich die Dunkelheit analysiere, um das Licht zu finden, bleibt es dunkel.
Und wenn das Licht in weiter Ferne vermutet wird, und ich es für notwendig halte, erst einmal einen weiten (Entwicklungs-)weg zurücklegen zu müssen, irre ich nur in meiner Schublade umher.
Solange ich glaube, etwas tun zu müssen, um nach einem Stück Himmel greifen zu können oder dürfen, läuft das Laufrad schneller und schneller, aber Laufräder haben bekanntlich die Eigenschaft, sich um keinen Millimeter in irgend eine Richtung zu bewegen.
Was kann ich also tun? Nichts! Bekämpfe ich meine Schubladen, gebe ich ihnen damit einen Wert, der nicht existiert. Und was für mich wertvoll ist, lasse ich nicht los. Lasse ich sie los, bekämpfe ich sie nur auf subtilere Art.
Ich kann sie aber sehen und zu dem Schluss kommen, dass sie eigentlich keinen Wert haben. Ich kann EINEN, DER weiß, was ich bin, bitten, mir zu zeigen, dass diese selbst gewählten Schubladen nicht das sind, was ich wirklich will. Ich kann Vertrauen entwickeln, dass DER, DER meine Quelle und mein Ursprung ist, nicht der Konstrukteur meiner Schubladen ist. Denn kann ein gütiger GOTT wirklich meine Verzweiflung wollen?
Ich kann zumindest entscheiden, dass ich die Schublade, die ich gerade sehe, nicht mag. Ich kann dann die Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass ich mich offenbar in Bezug auf das, was ich glaube zu sein, irre. Und dann kann ich aus dem Herzen heraus sagen: »Ich will diese Schublade nicht, lass mich diese Situation anders sehen. Hilf mir!«. Ich kann bitten. Und warten. Das Ergebnis muss gewiss sein, da ich mich nur im Irrtum befinde. Und da ER keine Irrtümer kennt, können sie nicht ewig existieren. Denn was ER nicht kennt, kann überhaupt nicht existieren.